Description
Die Oberbaumbrücke in Berlin verbindet als Teil des Innenstadtrings die Ortsteile Kreuzberg und Friedrichshain über die Spree und liegt zwischen der Elsenbrücke und der Schillingbrücke. Sie ist das Wahrzeichen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.
Erste hölzerne Spreequerungen im 18. Jahrhundert
Eine erste hölzerne Brücke befand sich auf Höhe der früheren Stadtmauer, einige Kilometer weiter stromabwärts von der heutigen Brücke nahe der Spreeinsel. Die Spree wurde hier zu beiden Seiten bis auf einen schmalen Durchlass in der Mitte mit begehbaren Holzstegen versperrt, um Zölle eintreiben zu können. Nachts wurde der Durchlass mit einem dicken, mit Eisennägeln bewehrten Stamm verschlossen, dem sogenannten Baum. Neben dem Unterbaum im Westen der Stadt gab es im Osten den Oberbaum. Mit der Verlegung der Stadtgrenze und dem Bau der Berliner Zollmauer wurde 1723 auf königlichen Befehl anstelle des Oberbaums eine neue Brücke etwas weiter östlich aus Holz mit Klappen für den Schiffsverkehr errichtet. Hier stand das Stralauer Tor als Eingang nach Berlin.
Eine repräsentative Gewölbebrücke entsteht
Im Jahr 1893 hatte die Firma Siemens & Halske die Genehmigung zum Bau einer die Spree überquerenden Eisenbahnbrücke an dieser Stelle erhalten. Gleichzeitig entstanden Pläne für einen Ersatzbau der alten hölzernen Straßenbrücke. Ein „Besonderes Städtisches Brückenbaubüro“ unter Leitung des Stadtbauinspektors Georg Pinkenburg erstellte nach Entwürfen des Architekten Otto Stahn die Pläne für eine Brücke, die die frühere Torfunktion des Oberbaums in regionalhistorischer Form zum Ausdruck bringen sollte. Bevor beide Brücken begonnen wurden, einigten sich die zuständigen Verwaltungen auf die Errichtung einer kombinierten Eisenbahn-/Straßenbrücke auf der Grundlage der vorliegenden architektonischen Entwürfe. Zwischen 1894 und 1896 entstand ein neugotisches Bauwerk, das die Holzbrücke ersetzte und auf der oberen Ebene die 1902 in Betrieb genommenen Hochbahngleise der ersten Berliner U-Bahn-Linie (heute: Linie U1) über die Spree führt. Unter dem Bahnviadukt ist ein geschützter Fußgängerüberweg nach Art eines mittelalterlichen Kreuzgangs ausgeführt. Als Baumaterial für die Brückenpfeiler und Gewölbezwickel wählten die Ingenieure Beton, für alle anderen Bauteile herkömmliches, mit Stahleinlagen verstärktes Mauerwerk. Der Fluss wurde in sieben Gewölben überbrückt, deren Öffnungsbreiten 7 1⁄2, 16, 19, 22, 19, 16 und 7 1⁄2 Meter betrugen.
Der mittlere Brückenbogen wird von zwei je 34 Meter hohen Türmen geschmückt, die mit ihren auskragenden Wehrgängen dem Mitteltorturm der Stadtmauer in Prenzlau nachempfunden sind. Sie symbolisieren gleichzeitig die alte Funktion des Oberbaums als Berliner Wassertor. Ihre unterschiedlich gestalteten Turmspitzen tragen die Reliefs des Berliner Bären und des Brandenburgischen Adlers. Weitere schmückende Details der neuen Brücke waren die mit metallenen Flachreliefs, bunten glasierten Klinkern und Mosaiksteinchen gestalteten Sichtflächen, die neben Ornamenten auch die Wappen der märkischen Städte Küstrin, Stendal, Brandenburg an der Havel, Potsdam, Prenzlau, Frankfurt (Oder), Salzwedel und Neuruppin zeigten.
Zerstörung und Nachkriegsgeschichte
In der Schlacht um Berlin zerstörten am 23. April 1945, dem Vortag der Besetzung des rechten Spreeufers durch die Rote Armee, deutsche Truppen drei Fünftel des mittleren Gewölbebogens der Oberbaumbrücke durch eine Sprengung. Dabei erlitten die Tortürme schwere Schäden. Dass durch die Sprengung des mittleren Gewölbebogens nicht die gesamte Brücke einstürzte, lag nur an den deutlich überdimensionierten angrenzenden Brückenpfeilern, die die Schubkräfte der benachbarten Gewölbebögen, einem Widerlager gleich, aufnahmen. Durch Beschuss wurden weiterhin 15 Pfeiler des Hochbahn-Viadukts und zahlreiche Zierelemente beschädigt. Bald nach Kriegsende verkehrte über die instand gesetzte Brücke die U-Bahn der damaligen Linie B durchgehend zum Bahnhof Warschauer Brücke. Der zuvor auf Friedrichshainer Seite unmittelbar an das Brückenbauwerk angrenzende Hochbahnhof Osthafen wurde wegen seiner starken Beschädigungen abgebrochen.
Seit der Ziehung der Sektorengrenzen in Berlin verband die zum Bezirk Friedrichshain gehörende Brücke den sowjetischen Sektor mit dem Bezirk Kreuzberg im amerikanischen Sektor. Am 31. Oktober 1948 kam es auf der Oberbaumbrücke zum ersten tödlichen Grenzzwischenfall nach der Teilung der Stadt in Ost- und West-Berlin, bei dem der Ost-Berliner Polizist Fritz Maque (1898–1948) getötet wurde. Während der Berliner Blockade hatte sich ein starker Schmuggelbetrieb von Ost- nach West-Berlin entwickelt, wo das Schmuggelgut für Westmark verkauft werden konnte. Bei einer Polizeikontrolle auf der Brücke versuchte Maque, einen aus Friedrichshain kommenden Lieferwagen anzuhalten. Der offenbar überraschte Kraftfahrer rammte Maque gezielt und fuhr in den Amerikanischen Sektor. Maque starb am 31. Oktober an seinen schweren Verletzungen. Die Ermittler der Volkspolizei fanden weder einen Anhaltspunkt zur Identität des Täters noch zu dessen Motiv, sich der Kontrolle entziehen zu wollen. Dennoch bezeichneten die SED-Propaganda und die Geschichtswissenschaft der DDR den Tod Maques als einen „terroristischen Gewaltakt“, für den sie „von Geheimdiensten angeworbene Provokateure“ oder „antisozialistische Organisationen und Gruppen“ verantwortlich machten. Am 17. Februar 1949 erschoss ein Ost-Berliner Polizist auf der Oberbaumbrücke den West-Berliner Pkw-Fahrer Helmut Ryll. Dieser war mit einem Begleiter nach Kreuzberg unterwegs. Bei der Kontrolle forderten ihn zwei Polizisten, die sich in sein Fahrzeug setzten, auf, zurück nach Ost-Berlin zu fahren. Stattdessen fuhr Ryll, am Steuer sitzend, in Richtung Westsektor weiter. Dabei erschoss ihn einer der Polizisten. Der führerlose Wagen prallte in der Falckensteinstraße gegen eine Laterne. Obwohl die West-Berliner Polizei einen der Ost-Polizisten festnehmen konnte, blieb der Fall ungeklärt.
Später sperrten die Ost-Berliner Behörden die Oberbaumbrücke zunächst für den Kraftfahrzeug- und Straßenbahnverkehr. Im Dezember 1955 errichteten sie einen Bauzaun, der auch ihre Benutzung durch Motorrad- und Fahrradfahrer unmöglich machte. Jedoch gab es bis zum Tag des Mauerbaus am 13. August 1961 regen Fußgängerverkehr von Besuchern und „Grenzgängern“ über die Brücke. Auf Kreuzberger Seite hatten sich zahlreiche Wechselstuben etabliert, die DM Ost in DM West tauschten. Kleinhändler boten den Besuchern aus Ost-Berlin Zeitungen, Südfrüchte, Kaugummis, Nylonartikel und andere Waren häufig auch für Ostgeld im Verhältnis 1:1 an.
Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde die Oberbaumbrücke für den gesamten Verkehr einschließlich der U-Bahn gesperrt. In Einzelfällen diente sie der Ausreise freigekaufter politischer Gefangener aus der DDR. Im Dezember 1963 öffnete das 1. Passierscheinabkommen sie für 14 Tage für West-Berliner Fußgänger. Bis zum Sommer 1966 folgten drei gleichartige kurze Öffnungen. Zu einer Daueröffnung für Fußgänger kam es ab 1972 durch das Viermächteabkommen über Berlin. Ein Gebäude für die Ost-Berliner Kontrollorgane wurde direkt am Ostufer der Spree, neben der Oberbaumbrücke, quer über die Straße erbaut. Der die Stralauer Allee an der Brücke überquerende Teil des U-Bahn-Viadukts wurde vollständig abgebrochen. Die Türme wurden in den 1970er Jahren abgetragen.
Da die Grenze am Kreuzberger Ufer (Gröbenufer) der Spree verlief, ertranken an der Oberbaumbrücke bis zur Unterzeichnung des Abkommens über Rettungsmaßnahmen bei Unglücksfällen in den Berliner Grenzgewässern am 29. Oktober 1975 mehrere Kreuzberger Kinder, weil ihnen von der Westseite aus nicht geholfen werden konnte und dies von der Ostseite aus unterblieb. 1976 wurde am südlichen Brückenkopf eine Notrufsäule installiert, nach deren Aktivierung Ertrinkenden Hilfe geleistet werden durfte.
Erneuerung
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Brücke für insgesamt 70 Millionen Mark umfassend instandgesetzt. Für die Reparatur des zerstörten Mittelteils gab es einen internationalen Architektenwettbewerb, den Santiago Calatrava gewann. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Architekten, Denkmalschützern sowie Vertretern der Schifffahrtsbehörde und der Bauämter der beiden damaligen Bezirke wurden die Pläne von Calatrava mehrfach überarbeitet. Der Kompromiss wurde bis 1995 umgesetzt, die Brücke erhielt ein neues Mittelteil. Seit 1995 wird die Oberbaumbrücke wieder für die U-Bahn und Straßenverkehr genutzt. Die Stadtplanungen der 1990er Jahre und Forderungen von Umweltverbänden führten zur Verlegung von Straßenbahngleisen in der Fahrbahndecke. Bei der Wiederinbetriebnahme der Oberbaumbrücke gab es Demonstrationen für die Straßenbahn und gegen die Freigabe für den Autoverkehr. Offizielle Pläne zur Realisierung einer Straßenbahntrasse existieren wieder seit 2016, als die rot-rot-grünen Berliner Landesregierung eine Neubaustrecke zum Hermannplatz in ihr Programm zum Ausbau des Straßenbahnnetzes aufnahm. Mit diesem Thema beschäftigten sich auch Verbände und Studenten.
Die Oberbaumbrücke, die seit 1991 im Friedrichshainer Wappen stand, wurde nach der Bezirksfusion auch in das Wappen des neuen Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg aufgenommen.
Kulturelles an der Oberbaumbrücke
Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr veranstaltete 1996 einen künstlerischen Wettbewerb zur Markierung der sieben innerstädtischen Grenzübergänge. Mit seinem Entwurf des bekannten Kinderhandspiels Schere, Stein, Papier gewann der Berliner Thorsten Goldberg den Wettbewerb zum ehemaligen Grenzübergang Oberbaumbrücke. Dazu wurden zwei rechts und links des Mittelstückes sichtbare – je ein Meter große – Leuchtröhren angebracht. Die leuchtenden Umrisslinien der drei Handstellungen Schere, Stein und Papier wechseln zufallsgeschaltet alle sechs Sekunden und sind sowohl von der Wasserseite als auch von der Fahrbahn gut sichtbar. Dieses Glücksspiel soll die frühere politische Situation zeigen, nach welcher Entscheidungen eher zufällig und willkürlich erfolgten.
Seit 1998 ist die Oberbaumbrücke traditionell einmal im Jahr Schauplatz der „Gemüseschlacht“ zwischen Friedrichshainern und Kreuzbergern, in der um die Vorherrschaft zwischen den beiden mittlerweile fusionierten Bezirken volksfestartig gestritten wird.
Der Stadtteilausschuss Kreuzberg e. V. organisiert seit 2003 alljährlich im Frühsommer die Open Air Gallery. An diesen offenen Kunstsonntagen kommen bis zu 30.000 Besucher auf die Brücke, die zu diesem Zweck für den Straßenverkehr gesperrt wird.
Das Wandbild, auf das man beim Verlassen der Brücke in Richtung Kreuzberg zugeht, ist ein Werk des italienischen Streetart-Künstlers Blu aus dem Jahr 2007. Das großflächige, unübersehbare Wandbild zeigt einen pinkfarbenen Riesen und wird zumeist in Allegorie zur mythologischen Leviathan-Figur als Leviathan, gelegentlich auch als Pink Man oder nach dem Festival, auf dem es entstand, als Blus Backjump Mural bezeichnet.
Source: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberbaumbr%C3%BCcke
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