Geschichte

Kolonialzeit

Bei seiner vierten Reise landete Christoph Kolumbus im Juli 1502 auf der Insel Guanaja, die zu den honduranischen Islas de la Bahía gehört. Von der Mündung des Río Coco, dem Cabo Gracias a Dios, folgte er der Küste Nicaraguas und ankerte an der Mündung des Río San Juan, um schwere Stürme zu überstehen.

Von Panama aus unternahm der Konquistador Pedrarias Dávila 1519 Raubzüge nach Costa Rica und Nicaragua. Obwohl die unmittelbare Beute relativ hoch war, wurde im Verlauf des Eroberungszuges klar, dass auf Dauer die Quelle des Reichtums in den Menschen bestand. In den 1520er-Jahren wurde das Gebiet von Spanien als Kolonie besiedelt, um die Encomienda in Gang zu setzen. Nahe der Pazifikküste wurden die ersten spanischen Kolonialstädte in Nicaragua gegründet: Granada (1523), León (1524) und Bruselas, das nach wenigen Jahren wieder verödete. Während der Kazike Nicarao sein Land für den kastilischen König requirieren ließ, sich zum Christentum bekehrte und den Spaniern wertvolle Geschenke machte, wiegte der Kazike Diriangén die Spanier durch seine Taufe in Sicherheit, um sie dann mit einigen tausend Indígenas auf dem Schlachtfeld anzugreifen.

Jeglicher Widerstand gegen die Unterwerfung galt den Konquistadoren als Rebellion, die prinzipiell mit Krieg und Versklavung beantwortet wurde. Die wirtschaftlich und kulturell sehr hoch entwickelten Völker der Pipil, Nicarao und Choroteguas wurden verschleppt und versklavt, Nicaragua wurde entvölkert. Der Mönch Bartolomé de Las Casas schrieb 1552: „Im gesamten Nicaragua dürften heute 4000 bis 5000 Einwohner leben. Früher war es eine der am dichtesten bevölkerten Provinzen der Welt.“

Der Hauptmann Francisco Hernández de Córdoba drang im Auftrag von Pedrarias durch Nicaragua bis nach Honduras vor und gründete 1523 am Nordufer des Nicaraguasees Granada. Als er dort auf Leute von Hernán Cortés stieß, witterte Pedrarias 1526 bei seinem engen Vertrauten, dem Leiter seiner Gouverneurswache, Verrat und köpfte de Córdoba − so, wie er bereits seinen Schwiegersohn Vasco Núñez de Balboa umgebracht hatte. Der Leichnam wurde bei Ausgrabungen im Frühjahr 2000 freigelegt.

Cortés’ Hauptmann Pedro de Alvarado eroberte 1523 bis 1535 Guatemala und El Salvador. 1524 erreichten sie San Salvador. Dabei stießen die beiden Herrschaftsgebiete von Cortés einerseits und Pedrarias andererseits in der Region Nicaragua/Honduras zusammen. Gil González Dávila und Andrés Niño eroberten 1524 Honduras. Als der von Pedrarias entsandte Capitán Dávila mit einer in Spanien erworbenen eigenen Capitulación an der Karibikküste landete, wurde er von Cortés Leuten in Ketten nach Spanien zurückgeschickt. Da wegen des indigenen Widerstandes in Honduras und Panamá Gouverneure von der spanischen Krone direkt eingesetzt wurden, blieb Nicaragua Pedrarias überlassen. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung des heutigen Nicaragua wurde 1538 versklavt und in die Silberminen Perús und Boliviens deportiert.

Bereits 1539 entdeckte Diego Machuca den Río San Juan als Wasserstraße zwischen der Karibik und dem Nicaragua-See. 1551 äußerte sich bereits der spanische Chronist Francisco López de Gómara: „Man fasse nur den festen Entschluss, die Durchfahrt auszuführen, und sie kann ausgeführt werden. Sobald es am Willen nicht fehlt, wird es auch nicht an Mitteln fehlen“. Doch der spanische König Felipe II. sah in der Landbrücke zwischen den beiden Meeren Gottes Schöpfung, die zu verbessern dem Menschen nicht zustünde. Deshalb wurde der Plan eines interozeanischen Nicaragua-Kanals vorläufig nicht weiter verfolgt.

Die spanische Kolonialherrschaft beschränkte sich lange Zeit nur auf die Pazifikküste und ihr Hinterland am Nicaragua-See und dem kleineren Managua-See. Die Karibikküste (Miskitoküste), die vom Rest des Landes durch gebirgige und unwegsame Regionen getrennt blieb und von den Miskito-Indígenas bewohnt wurde, geriet von Jamaika aus für lange Zeit mit dem Territorium des heutigen Belize unter den Einfluss Großbritanniens.

1725 brach in León ein Aufstand der Indígenas gegen die Spanier aus. 1777 erhoben sich die Boaco-Indígenas unter Führung ihres Kaziken Yarince gegen die Spanier. Volkserhebungen infolge der französischen Revolution und Napoléons I. Besetzung Spaniens mündeten 1811/12 in der gesamten Pazifikregion Mittel- und Südamerikas in den Beginn des Unabhängigkeitskrieges, erste Forderungen nach Amtsenthebung des spanischen Statthalters wurden erhoben.

Unabhängigkeit

Am 15. September 1821 rief das Generalkapitanat Guatemala, zu dem Nicaragua gehörte, seine Unabhängigkeit von der spanischen Krone aus. Noch heute ziert die Jakobinermütze der französischen Revolution über den fünf Vulkanen des Landes seine Flagge. Zwei Jahre später wurden daraus die Vereinigten Provinzen Mittelamerikas, aus denen die zentralamerikanische Föderation hervorging, der neben Nicaragua Honduras, Guatemala, Costa Rica und El Salvador angehörten.

Die Geschichte Nicaraguas ist durch den langen Gegensatz zwischen der liberalen Elite aus León und der konservativen Elite aus Granada geprägt. Managua als Hauptstadt liegt nicht zufällig dazwischen. Als die Gegensätze innerhalb der nicaraguanischen Oligarchie 1856 in einen Bürgerkrieg umschlugen, riefen die „Liberalen“ den nordamerikanischen Abenteurer William Walker mit einer kleinen Privatarmee gegen ihre konservativen Kontrahenten zur Hilfe. Walker strebte jedoch die Unterwerfung ganz Zentralamerikas an, rief sich selbst zum Präsidenten Nicaraguas aus und ließ die 1824 abgeschaffte Sklaverei wiedereinführen. Erst 1857 wurde er von der vereinigten Armee zentralamerikanischer Staaten geschlagen und floh.

1878 gab es eine deutsche Militärintervention in Nicaragua nach einem Übergriff auf den Konsul in León, die sogenannte Eisenstuck-Affäre.

Beginnend in der Stadt Matagalpa kam es 1881 zu einem Aufstand der indigenen Bevölkerung in der Pazifikregion. Auslöser war die Privatisierung des bis dahin in Gemeinbesitz befindlichen Landes, in deren Folge sie in Lohn- oder Zwangsarbeit gedrängt worden waren, meist auf den expandierenden Kaffeeplantagen.

Mit dem Regime des Generals José Santos Zelaya kam 1893 die ökonomisch bedeutend gewordene Kaffeeoligarchie der „Liberalen“ an die Macht. Zelaya setzte die Trennung von Staat und Kirche und die zentralisierte Kontrolle des ganzen Landes durch, förderte den Kaffeeanbau und ließ die Verkehrswege ausbauen. Mit dem Dekret der Wiedereingliederung der Miskitoküste ließ 1894 seine Regierung die Miskitoküste durch den General Cabezas militärisch besetzen. Den Miskitos wurde die Aufrechterhaltung einer Reihe von Steuerprivilegien zugesagt. Eine Militärrebellion an der Karibikküste und der Druck der USA zwangen General Zelaya 1909 zum Rücktritt.

Der neue konservative Präsident Adolfo Díaz, bis zu seiner Wahl Buchhalter eines nordamerikanischen Bergbauunternehmens in Nicaragua, nahm 1911 bei US-Banken Millionenkredite auf und überließ als Sicherheit der US-Regierung die direkte Kontrolle der nicaraguanischen Zolleinnahmen. Ein Jahr später musste die Regierung Díaz gegen ein aufständisches Heer des bisherigen Kriegsministers Luís Mena durch US-Marines gerettet werden, die am 14. August 1912 in Nicaragua landeten und die Städte Managua, Granada und León besetzten. Die Marines blieben bis 1933 im Land und unterstützten meist die konservative Regierung gegen liberale Rebellen (siehe auch Guerra Constitucionalista).

Aufstieg der Somozas

1927 entflammte der Bürgerkrieg erneut zwischen der konservativen Regierung und den Liberalen, zu deren Generälen auch Augusto César Sandino zählte. Nachdem der persönliche Abgesandte des US-Präsidenten Calvin Coolidge dem Anführer der Liberalen, General José María Moncada die Präsidentschaft versprochen hatte, erzwang er den Pakt von Espino Negro, in dem die Entwaffnung der Liberalen festgeschrieben wurde. Lediglich Sandino und 30 seiner Soldaten ließen sich nicht entwaffnen, sondern zogen sich in die Berge im Norden des Landes zurück. Dort stellte Sandino von neuem eine kleine Truppe auf, kämpfte gegen die Regierung und brachte den seit 1927 im Lande stationierten US-Marines im Laufe von sechs Jahren eine Reihe empfindlicher Niederlagen bei.

1932/33 zogen die USA ihre Truppen ab, nachdem sie eine nicaraguanische Nationalgarde aufgestellt und ausgebildet hatten, deren Oberbefehl bei ihrem Vertrauten, Anastasio Somoza García lag. Diese Nationalgarde, für die formal eine (tatsächlich inaktive) Wehrpflicht existierte, übte gleichzeitig die Armee- und die Polizeifunktion aus. Zum Präsidenten kürte man seinen Onkel, den Liberalen Juan Bautista Sacasa. Er wurde am 1. Januar 1933 in sein Amt eingeführt. Einen Tag später verließen die letzten Einheiten der US-Marines das Land. Nach dem Abzug der USA legten Sandino und seine Truppe die Waffen nieder. Somoza lud Sandino und seine engsten Offiziere zu einem feierlichen Bankett, bei dem sie auf seine Veranlassung am 21. Februar 1934 ermordet wurden (Sandino selbst wurde durch einen Schuss in den Rücken ermordet).

Drei Jahre später putschte Somoza gegen Sacasa und ließ sich zum Präsidenten wählen. Bis 1979 gab die Familie Somoza den Oberbefehl über die Nationalgarde nicht mehr aus der Hand, sondern errichtete eines der größten Wirtschaftsimperien Lateinamerikas. Sie weitete ihren wirtschaftlichen Einfluss in der sich modernisierenden Wirtschaft ständig aus, unterdrückte innere Unruhen und leitete den Wiederaufbau des durch ein Erdbeben 1931 zerstörten Landes so ein, dass sie bei dieser Gelegenheit auch ihren Grundbesitz beträchtlich vermehren konnte. Auch ein Großbrand, der 1936 die Hauptstadt Managua zerstörte, bot dazu weiteren Anlass.

Trotz seiner bisherigen Sympathien für deutsche und italienische Faschisten stellte sich Anastasio Somoza García im Zweiten Weltkrieg sofort auf die Seite der USA und erklärte am 9. Dezember Japan sowie am 11. Dezember 1941 Deutschland und Italien den Krieg. In der Folge nutzte er die Gelegenheit, um alle Deutschen in Nicaragua zu enteignen und das Gros ihres Vermögens und ihrer Kaffeeplantagen an sich zu reißen.

Der jüngere Sohn Anastasio Somoza Garcias, Anastasio Somoza Debayle wurde 1946 von seinem Vater zum Befehlshaber der ganz auf die Interessen der Familie eingeschworenen Nationalgarde ernannt. Grenzkonflikte mit Costa Rica 1948/49 sowie 1955 und mit Honduras 1957 wurden mit Rückendeckung der USA überwunden. In diesem Zusammenhang steht eine Operation von ehemaligen Nationalgardisten, die 1948 von Costa Rica aus mit Hilfe von Teilen der Karibischen Legion versuchten, die Somoza-Herrschaft zu beenden, doch das Unternehmen scheiterte bereits in Costa Rica selbst.

Von Februar bis Juni 1954 wurden die von der CIA im Rahmen der Operation PBSUCCESS gegen Guatemala benötigten Söldner in Nicaragua ausgebildet; u. a. auf einem Privatbesitz Somozas, El Tamarindo.

Der Dichter Rigoberto López Pérez ermordete 1956 den Diktator Anastasio Somoza García auf einem Bankett, woraufhin er selbst von Somozas Leibwächtern erschossen wurde. Somozas Sohn, Oberst Luís Somoza Debayle wurde Präsident und hielt das Amt bis 1963 inne. Ein Versuch der Konservativen Partei, Somoza im Mai 1959 mit der Guerilla von Olama und Mollejones zu stürzen, scheiterte.

Während der Baumwollanbau an der Pazifikküste zur wichtigsten Devisenquelle des Landes wurde, zogen sich die US-Firmen allmählich aus der Karibikregion zurück. Ihre Bananenplantagen, die ausgelaugten Gold- und Silberminen und der Raubbau an Edelhölzern hinterließen tiefe Spuren und ein riesiges abgeholztes Urwaldgebiet im Nordosten als unfruchtbare Steppe. Einstmals 933 km Eisenbahnnetz (bei einem damaligen Straßennetz von 350 km) der Bananen- und Holzfirmen verfielen, nicht zuletzt weil Somoza „verdienten“ Offizieren Lizenzen für Autobuslinien parallel zur Eisenbahn schenkte, die dann bei ihm, dem Generalvertreter von Mercedes-Benz, Busse kaufen konnten. Heute existieren nur noch geringe Reste dieses Netzes in einem erbärmlichen Zustand, die kaum noch genutzt werden.

1961 wurde in Puerto Cabezas an der Atlantikküste ein Invasionsheer aus Exilkubanern und lateinamerikanischen Söldnern unter der Leitung der CIA aufgestellt, das in der Schweinebucht in Kuba landete und von den kubanischen Truppen geschlagen wurde.

1967 kam Anastasio Somoza Debayle, bis dahin Chef der Nationalgarde, als Kandidat der Liberalen durch Wahlbetrug an die Präsidentschaft. Seine Regierungsmethoden widersprachen liberalen Grundsätzen, aber er genoss großzügige US-Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe. Nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung mit Sondervollmachten für den Präsidenten und der Zwischenregierung einer Junta in den Jahren 1972 bis 1974 ließ er sich wieder zum Präsidenten wählen.

Als ein starkes Erdbeben am 23. Dezember 1972 die Hauptstadt Managua zerstörte und etwa 10.000 Menschenleben forderte, nutzte die Familie Somoza die Katastrophe zur eigenen Bereicherung: Große Teile der internationalen Hilfsgelder leitete sie auf ihre Konten um, geschenkte Hilfsgüter wurden von ihren Firmen verkauft und sie rissen das durch die Katastrophe aufblühende Bau- und Bankgewerbe an sich. Noch heute sind große Teile der Innenstadt und die Kathedrale nicht wiederhergestellt.

Trotz Beibehaltung eines formalen Mehrparteiensystems wurde jede echte Opposition durch die Nationalgarde unterdrückt, Gewerkschafter drangsaliert, Kleinbauern durch Gewaltanwendung von ihren Parzellen in die verödeten Gebiete des Nordostens oder die entlegenen, verkehrsmäßig nicht erschlossenen Gebiete des Südwestens vertrieben. Die oppositionellen Konservativen erwiesen sich als inaktiv und machtlos. Ihr Interesse richtete sich ausschließlich auf die Bedürfnisse ihrer Klientel.

Die Sandinisten

Ausgelöst durch Korruption und staatlichen Machtmissbrauch des Diktators Anastasio Somoza Debayle kam es 1977 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die in einen Bürgerkrieg mündeten und das ganze Land erfassten. Am 17. Juli 1979 floh Somoza nach Florida; am 19. Juli des Jahres zogen die Guerilleros in Managua ein, die Nicaraguanische Revolution hatte gesiegt.

Nach Erlangung der Macht verfolgten die Sandinisten eine breit angelegte Bildungskampagne. Dies führte bei Erwachsenen zu einer deutlichen Senkung der Analphabetenrate, indigene und bäuerliche Kunst und Kultur wurden gepflegt. Ausdruck hierfür war die Ernennung des weltbekannten Dichters und Priesters Ernesto Cardenal zum Kulturminister. Schulen wurden im ganzen Land gegründet, wobei diese oft in einfachen Hütten untergebracht waren; Lehrer wurden in Schnellkursen geschult, weil unter Somoza für die Lehrerbildung nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt worden waren. Das Gesundheitswesen wurde entwickelt, auch hier gelang es, auf dem Lande Krankenstationen zu etablieren, die erstmals ein wenigstens notdürftiges Hygieneprogramm verbreiteten.

Ein weiteres innenpolitisches Vorhaben war die Entwicklung der Frauenrechte. Dieses Programm knüpfte an die Bekanntheit von sandinistischen Heldinnen an – in Nicaragua ein bemerkenswerter Vorgang, der möglicherweise auch zum späteren Wahlerfolg von Violeta Chamorro beigetragen hat. Aber auch der Welterfolg der Bücher von Gioconda Belli (Bewohnte Frau) ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Unter der Sandinistenherrschaft kam es 1982 zu Zwangsumsiedlungen von 8.500 Miskito-Indianern. Sie mussten die Küstenregion verlassen und wurden ins Landesinnere deportiert. Ungefähr 10.000 Miskito flohen in das benachbarte Honduras.

US-Präsident Ronald Reagan unternahm in den 1980er-Jahren den Versuch, die sandinistische Regierung zu stürzen, die in vielen westlichen Medien als kommunistisch bezeichnet wurde. Unter Anleitung bzw. Beteiligung der CIA wurde der einzige nicaraguanische Pazifikhafen Corinto vermint und die finanzielle und militärische Unterstützung der Contras, paramilitärischer Gruppen, die vorwiegend von Honduras aus operierten und unter denen sich auch Soldaten der früheren somozistischen Nationalgarde befanden. Das Geld zur Unterstützung stammte aus geheimen Waffenverkäufen der USA an den Iran (siehe auch Iran-Contra-Affäre). Die Contras versuchten, die Infrastruktur zu zerstören, unternahmen terroristische Überfälle auf die Landbevölkerung, legten Minen, verbrannten die Ernte, stahlen Vieh, um die Situation im Lande zu destabilisieren und die Bevölkerung zu verunsichern. Reagan nannte diese Gruppen „Freiheitskämpfer“. Gleichzeitig schürten die USA Auseinandersetzungen zwischen der sandinistischen Regierung und den Miskito-Indígenas an der Karibikküste. Die ersten freien Wahlen in Nicaragua im Jahr 1984 erbrachten eine Bestätigung der sandinistischen Regierung. Internationale Wahlbeobachter, darunter der amerikanische Expräsident Jimmy Carter, attestierten damals einen fairen Verlauf. Der Contra-Krieg hatte eine extreme Militarisierung des Landes zur Folge. Im Oktober 1983 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, die im Sandinistischen Volksheer abgeleistet werden musste. Hinzu kamen Spezialeinheiten des Innenministeriums MINT und der freiwillige Dienst in der Sandinistischen Volksmiliz, in der schließlich zehntausende Frauen und Männer dienten. Die Abschaffung der äußerst unbeliebten Wehrpflicht war daher ein zentrales Wahlkampfthema in der Präsidentschaftswahl 1990.

Die Unterstützung der sandinistischen Revolution durch linke Bewegungen der westlichen Welt erreichte in diesen Jahren ihren Höhepunkt, so dass zeitweise mehrere Hundert vorwiegend junge Erwachsene freiwillig bei Aufbau und Ernte halfen.

Die USA wurden für militärische und paramilitärische Aktionen in und gegen Nicaragua vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu einer Zahlung von 2,4 Milliarden US-Dollar verurteilt. Sie erklärten aber den Gerichtshof für unbefugt, über die USA zu urteilen, obwohl sie selbst Richter an den Gerichtshof entsendet hatten. In einer Resolution forderte die UN-Generalversammlung die USA auf, dem Urteil nachzukommen. Nur die USA, Israel und El Salvador stimmten gegen die Resolution. Dennoch weigerten sich die USA bisher, die Zahlung an Nicaragua zu leisten. Stattdessen stockten sie die Hilfe für die von den USA geführte Söldnerarmee, die Nicaragua angriff, auf.

1988 wurde als Ergebnis der Friedensverhandlungen der mittelamerikanischen Staaten untereinander das Abkommen Esquipulas II von den zentralamerikanischen Staatspräsidenten unterzeichnet. In diesem Abkommen hatten sich die Staatspräsidenten auf die Demobilisierung aller irregulären Truppen, die Umwandlung und Verkleinerung der sandinistischen Armee sowie freie und geheime Wahlen geeinigt. Das noch sandinistisch beherrschte Nicaragua war allerdings der einzige beteiligte Staat, der die Übereinkünfte erfüllt hat. Die darauf folgenden Wahlen von 1990 wurden mit Einverständnis der sandinistischen Regierung von den Vereinten Nationen überwacht.

Nicaragua nach 1990

Bei den Wahlen am 25. Februar 1990 siegte überraschend das antisandinistische Wahlbündnis UNO (Unión Nacional Opositora) mit 55,2 % der Stimmen; die Partei der Sandinisten, die FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional), erhielt 40,8 %. Die UNO bestand aus 14 konservativen und antisandinistischen Parteien; sie versprach mit Unterstützung der USA Frieden, Wohlstand und das Ende des US-Embargos. Kandidatin der UNO war die Zeitungsverlegerin Violeta Chamorro, Witwe des unter Somoza ermordeten Zeitungsverlegers Pedro Chamorro und Mitglied der politisch einflussreichen Chamorro-Familie.

Hintergründe

Zum Zeitpunkt der Wahlen hatte der Krieg gegen die durch die USA finanzierten Contras mehr als 29.000 Tote gefordert. Seit 1980 lähmte die von den USA verhängte Wirtschaftsblockade die Entwicklung Nicaraguas. Die Regierung versuchte durch eine strikte Sparpolitik, die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu retten, der sich durch die kriegsbedingten Aufrüstungen und die Wirtschaftssanktionen westlicher Länder, insbesondere der USA, abzeichnete. Zwischenzeitlich hatte die Inflation einen Höhepunkt von 3000 Prozent pro Jahr erreicht. Die Arbeitslosigkeit war hoch und der Lebensstandard niedrig. Gleichwohl wurden im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in der Landreform große Fortschritte erzielt.

Der wirtschaftliche Zustand, die offene Drohung der USA, den Boykott und den Krieg fortzuführen, sowie die Verluste in der Bevölkerung gelten gemeinhin als Gründe des Wahlsiegs der UNO. Dieser beendete zwar den Krieg und die Blockade, westliche Industrieländer traten auch als Kreditgeber auf, allerdings weit geringer, als die Nicaraguaner es wünschten.

Wirtschaftliche und politische Entwicklung

In der neuen Regierung kooperierten die moderaten Kräfte beider Seiten miteinander. Die Contra wurde im selben Jahr ins politisch-konstitutionelle Leben eingegliedert. Die Situation nach dem Ende der Revolution war jedoch äußerst angespannt. Die radikalen Kräfte formierten sich. Es kam zu Wiederbewaffnungen, die enttäuschten Contras nannten sich Recontras, die enttäuschten Sandinisten Recompas.

Zwei Faktoren trugen wesentlich dazu bei, dass die Situation in Nicaragua nicht explodierte. Zum einen benannte Violeta Chamorro Humberto Ortega (den Bruder von Daniel Ortega) zum obersten Befehlshaber. So gelang es ihr, das riesige sandinistische Heer unter eine, wenn auch sandinistische, Kontrolle zu bringen. Zum anderen stand sie über Monate hinweg in einem wöchentlichen kontinuierlichen Dialog mit den Sandinisten und vermied so, dass es zu einem bewaffneten Aufstand kam. Dabei kam ihr gewiss zustatten, dass sie Vertreterin einer einflussreichen Familie war, der nahezu die gesamte Presse (besonders La Prensa) gehörte.

Unter den Mitgliedern der Familie Chamorro waren sowohl Sympathisanten der Sandinista als auch entschiedene Anhänger der Contra. Dies ist typisch für die nicaraguanische Gesellschaft, die trotz erbitterten bewaffneten Auseinandersetzungen vor allem während der Revolution viel weniger in scharf voneinander zu trennende Gruppen (oder Parteien) zerfällt, als es von Europa aus den Anschein hat.

Die neue Regierung, in der die FSLN viele wichtige Posten innehatte, beschloss ein umfassendes Stabilisierungs- und Sparprogramm: eine kapitalistische Privatwirtschaft wurde eingeführt, die Währung wurde abgewertet, die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen, die Armee wurde drastisch reduziert, der Staatsapparat verkleinert, soziale Einrichtungen wie Kindergärten wurden geschlossen, das Gesundheitssystem wurde privatisiert, Schulgeld erhoben, Agrarreform und Verstaatlichung im Wirtschaftssektor rückgängig gemacht etc.

Um diese Entwicklung zu bremsen, wurde 1995 ein mehrjähriges Abkommen mit dem IWF und der Weltbank geschlossen, das unter anderem weitere Entlassungen im öffentlichen Dienst, Erhöhung der Steuern und Gebühren, Reduzierung der Agrarkredite, Privatisierung der Banken und Unternehmen wie Post, Telefongesellschaft, Wasser- und Energieinstitute vorsah, weiterhin Reduzierung der Sozialausgaben und die Liberalisierung der gesamten Wirtschaft.

Piñata

Die politische Vokabel Piñata bezeichnet die Tatsache, dass einige sandinistische Führungskader sich zwischen dem 25. Februar 1990 (Wahltag) und dem 25. April 1990 (Amtsübergabe) etliche Eigentumstitel ausstellten, Dienstwagen privatisierten und Staatsgüter auf Privatpersonen übertrugen. Zum Teil waren es Eigentumsüberträge von vor elf Jahren, die damals nicht übertragen worden waren. Aber in mindestens 200 Fällen wurden staatliche Vermögenswerte und einzelne Betriebe auf die Partei übertragen. Die FSLN hat sich immer davor gedrückt, diese Fälle zu klären, was zu einer tiefen Vertrauenskrise und zum Verlust der Glaubwürdigkeit führte.

1994 verließen vier Parteien die UNO, die sich fortan APO nannte (Alianza Política Opositora). 1996 schlossen sich die gleichen Gruppierungen jedoch wieder zur Alianza Liberal zusammen, die mit Arnoldo Alemán als Präsidentschaftskandidaten die Wahlen 1996 gewann. Insgesamt ist das Parteienwesen in Nicaragua durch viele Spaltungen und Neugründungen gekennzeichnet.

Alemán und die Korruption

Bei der Präsidentschaftswahl 1996 setzte sich Arnoldo Alemán von der Alianza Liberal (AL) durch. Der Regierung unter Alemán wurde massive Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. So wurde Alemán nach dem Ende seiner Amtszeit im Dezember 2003 zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt, die er aber bisher nicht antreten musste. Er steht allerdings unter Hausarrest und darf das Departamento Managua nicht verlassen.

Zusammen mit Daniel Ortega von der FSLN trieb Alemán die Zusammenarbeit ihrer beiden Parteien voran (el pacto). Dies führte so weit, dass sie durch Gesetzes- und Verfassungsänderungen versuchten, einen Zweiparteienstaat zu errichten, indem der Zugang neuer Parteien erschwert und freie Bürgerlisten verboten wurden. Auch hatten und haben sie einen großen Einfluss auf die Besetzung der wichtigsten Gremien (Oberster Wahlrat, staatlicher Rechnungshof, Oberster Gerichtshof) des Landes. Des Weiteren erhalten der Präsident und der Vizepräsident nach ihrem Ausscheiden Abgeordnetenstatus auf Lebenszeit. Die damit verbundene Immunität kam Alemán in seinem Korruptionsverfahren zugute.

Wahl 2001

Trotz der Erfolge der sandinistischen Partei bei den Kommunalwahlen 2000 verlor die FSLN 2001 erneut die Wahlen. Wieder war Daniel Ortega als Präsidentschaftskandidat angetreten, obwohl sich viele in der Partei gegen seine Kandidatur gewehrt hatten. Am Ende setzte sich die Liberal–Konservative Partei (PLC) mit Enrique Bolaños mit 53 % der Stimmen gegenüber 45 % der FSLN durch. Die Sandinisten begründeten ihre erneute Niederlage mit einer Kampagne der Angst, die Bolaños gegen Daniel Ortega geführt habe. Bolaños habe, unterstützt durch die USA, Ortega als Terroristenfreund dargestellt und die Befürchtung gesät, dass im Falle eines Sieges der FSLN Nicaragua isoliert werde und keine Hilfsgelder mehr empfangen werde.

Der neue Präsident hatte sich den Antikorruptionskampf auf die Fahnen geschrieben. Er forderte die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Präsidenten Alemán sowie ein Ende der Korruption, die er als Vizepräsident unter Alemán selbst miterlebt hatte. International machten die USA und der IWF Druck und forderten Transparenz der öffentlichen Gelder sowie die Bestrafung von Korruption als Voraussetzung für weitere Gelder. Bolaños’ medial eingesetzte Antikorruptionskampagne wurde allerdings auch misstrauisch beobachtet. Die neuen Privatisierungsvorhaben der Regierung, in denen wieder staatliche Güter zu einem Bruchteil ihres Wertes verkauft werden sollten, ließen auf neue Korruption schließen.

Im Juli 2005 verurteilten die Präsidenten der Staaten Mittelamerikas und Mexikos Aktionen der linken Sandinisten zur Schwächung des Präsidenten. Die Opposition, die die Mehrheit im Parlament hat, hatte eine Reihe von Gesetzen beschlossen, die zur Entmachtung des Präsidenten Enrique Bolaños führen sollten.

Wahlen 2006

Der Kandidat der Linken, früherer Guerilla-Führer und ehemaliger erster Staatschef nach der sandinistischen Revolution, Daniel Ortega, konnte sich mit 38,1 % gegen 30 % der Stimmen gegenüber dem konservativen Kandidaten (Eduardo Montealegre) durchsetzen, und ist nach 16 Jahren wieder an die Macht zurückgekehrt. Die Wahl war von der EU, der OAS und Delegationen weiterer Staaten beobachtet worden (mit insgesamt 11.000 Wahlbeobachtern). Mit einer einzigen Ausnahme (US-Delegation) wurde die Wahl von den Wahlbeobachtern übereinstimmend als fair und transparent anerkannt. Die US-Wahlbeobachter sprachen zwar von „Anomalien“, welche sie gesehen haben wollten, waren aber nicht in der Lage, diese näher zu bezeichnen.

Der Chef der EU-Mission, Claudio Fava, sagte, seine Organisation habe weder Wahlbetrug noch Versuche dazu feststellen können. Insgesamt verlief die Wahl ruhig und ohne Zwischenfälle. Somit sind die Sandinisten die stärkste Partei Nicaraguas geworden und Daniel Ortega ist seit dem 10. Januar 2007 rechtmäßiger Präsident von Nicaragua.

Null-Hunger-Programm

In einem Null-Hunger-Programm erhalten hunderttausende Schulkinder täglich eine unentgeltliche Mahlzeit. Gesundheitsvorsorge und Bildung sind wieder kostenlos. Um die Abhängigkeit Nicaraguas von Nahrungsmittelimporten zu senken, erhalten kleine und mittlere Produzenten außerdem zu sehr niedrigen Zinsen Ackerland von der Regierung.

Wahlen 2011

Laut Verfassung hätte Ortega 2011 zwar eigentlich nicht mehr erneut zur Präsidentenwahl antreten dürfen, doch aufgrund einer umstrittenen Gerichtsentscheidung wurde seine Kandidatur trotzdem zugelassen. Mit 62,6 % der Stimmen gewann er die Wahl, wobei Beobachter jedoch Unregelmäßigkeiten beanstandeten.

Source: https://de.wikipedia.org/wiki/Nicaragua