Geschichte
Antike
Bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. besiedelten Berber-Stämme das Gebiet des heutigen Marokko. Vom 12. Jahrhundert v. Chr. an gründeten die Phönizier an der Küste Handelsniederlassungen, darunter auch Karthago im Gebiet des heutigen Tunesien, das seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. Stützpunkte im Mittelmeerraum errichtete. Im Innern des Landes bildete sich wahrscheinlich schon im 4. Jahrhundert v. Chr. das Königreich Mauretanien heraus, das durch den Zusammenschluss mehrerer Berber-Stämme entstanden war.
Nach der Zerstörung Karthagos im Dritten Punischen Krieg 146 v. Chr. gerieten die Handelsniederlassungen an der Küste wie auch das Königreich Mauretanien unter römischen Einfluss. 33 v. Chr. wurde das Gebiet römisches Protektorat und schließlich 42 n. Chr. als Mauretania Tingitana mit der Hauptstadt Tingis (heute Tanger) und Mauretania Caesariensis mit der Hauptstadt Caesarea (heute Cherchell in Algerien) zu römischen Provinzen. Rom errichtete in der Folge zum Schutz gegen die im Gebirge und in der Sahara lebenden Berber-Stämme im Süden einen Grenzwall (Limes).
429 fielen die Vandalen in Nordafrika ein, konnten sich jedoch nur bis 477 in Tanger und Ceuta behaupten. Unter Kaiser Justinian I. (527–565) stießen oströmische Truppen bis zur Straße von Gibraltar vor, beschränkten aber ihre Herrschaft im heutigen Marokko ebenfalls auf diese beiden Städte und befestigten sie.
Mittelalter
Um 700 erreichten die Araber bei ihren Vorstößen nach Westen die Gegend, begannen mit der Islamisierung der unterworfenen Bevölkerung und benannten sie nach dem arabischen Wort für Westen oder Sonnenuntergang „Maghreb“: Al-Maghrib ist heute der offizielle Name Marokkos. Ein islamisierter Berber, Tariq ibn Ziyad, setzte dann 711 mit einer Reitertruppe von Ceuta über die Meerenge nach Spanien über und eroberte das Westgotenreich. Der Ort der Landung, der „Felsen des Tarik“ (arabisch Jabal Tariq), trägt seinen Namen: Gibraltar.
Die Araber konnten den Widerstand in Nordafrika zunächst jedoch nicht brechen; gegen die Herrschaft der Kalifen kam es um 750 zu zahlreichen Berber-Aufständen. 789 begründete schließlich Mulay Idris als Idris I. die Dynastie der Idrisiden mit der Hauptstadt Fès. Das Reich war bis Ende des 10. Jahrhunderts Zentrum des Islam in Nordafrika. Die von 1062 bis 1147 herrschenden Almoraviden, Angehörige einer Berber-Sekte aus dem Süden, verlegten die Hauptstadt nach Marrakesch. Die Almohaden (1147 bis 1269) machten Marokko zum Herzstück eines Reiches, das sich von Sizilien im Osten über das Atlasgebirge bis weit nach Spanien hinein erstreckte. Die Herrschaft der folgenden Dynastie, der Meriniden, währte etwa 150 Jahre; die Hauptstadt Fès wurde zu einem Zentrum von Kunst und Wissenschaft. 1420 ergriffen die Wattasiden die Macht, gerieten in der Folge aber immer mehr unter den Druck europäischer Mächte. 1492 wurde die Rückeroberung Spaniens durch die Christen (Reconquista) mit der Einnahme Granadas abgeschlossen.
Neuzeit
Ab Beginn des 16. Jahrhunderts hatten Portugiesen und Spanier damit begonnen, an der marokkanischen Küste Stützpunkte anzulegen; Spanien hatte bereits unmittelbar nach Abschluss der Reconquista Sidi Ifni und Melilla besetzt. Um 1520 kontrollierte Portugal alle wichtigen Atlantikhäfen des Landes. Unter der mächtigen Dynastie der Saadier entwickelten sich im 16. und 17. Jahrhundert Handelsbeziehungen zu den europäischen Staaten. Frankreich errichtete in den wichtigsten Hafenstädten Konsulate.
Um 1669 ergriffen die Alawiden, die noch heute in Marokko herrschende Dynastie, die Macht. Sie befreiten nach und nach die meisten der von Spanien und Portugal besetzten Küstenstädte. Nur Ceuta, Melilla und Sidi Ifni blieben spanisch. Marokko war das erste Land, das die jungen USA 1777 offiziell anerkannte. Der Moroccan-American Treaty of Friendship von 1783, der von amerikanischer Seite von John Adams und Thomas Jefferson unterzeichnet wurde, ist somit auch der längste ungebrochene Freundschaftsvertrag der USA mit einem anderen Staat.
Nach der Eroberung Algeriens (ab 1830) versuchte Frankreich, seinen Einfluss auf Marokko weiter auszudehnen. 1843/44 kam es zum Krieg, der mit einer Niederlage der marokkanischen Truppen endete. Infolgedessen wurde Marokko zum Zankapfel der miteinander konkurrierenden europäischen Mächte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es im Zuge dieser Entwicklung zu einer Konfrontation Frankreichs mit dem Deutschen Reich, das versuchte, gegen den wachsenden französischen Einfluss in Marokko eigene wirtschaftliche und politische Interessen durchzusetzen. 1905 stattete Kaiser Wilhelm II. dem Sultan in Tanger einen demonstrativen Besuch ab (→Erste Marokkokrise). Dennoch stand das Deutsche Kaiserreich in der Konferenz von Algeciras 1906 mit seinen Ansprüchen isoliert da und es musste im Berliner Marokko-Kongo-Vertrag von 1911 Marokko als französisches Einflussgebiet anerkennen (→Zweite Marokkokrise/„Panthersprung nach Agadir“).
Bereits ein Jahr später wurde das Land im Protektoratsvertrag vom November 1912 in die Protektorate Französisch-Marokko und Spanisch-Marokko im Norden aufgeteilt; die Stadt Tanger erhielt 1923 als Tanger-Zone internationalen Status. Formal blieb der Sultan Herrscher Marokkos.
Im Süden unterstützte Tihami al-Glawi, das Oberhaupt des einflussreichen Glaoui-Berberstammes, von Anfang an das französische Protektoratsregime gegen den Führer des antikolonialen Aufstandes Ahmed al-Hiba (El Hiba) in Südmarokko und Westsahara. Letzterer hatte den Kampf gegen die Kolonialmacht von seinem Vater Mā al-ʿAinin übernommen. Der einhellige Widerstand der Berber im Norden ging zu dieser Zeit von Moha ou Hammon aus, dessen Stammsitz Khénifra die Franzosen am 12. Juni 1914 eroberten. Am 13. November 1914 fügten die unter Moha ou Hammon versammelten Berbertruppen einige Kilometer südlich von Khénifra den Franzosen die schwerste Niederlage während der „Befriedungsaktionen“ zu. Dabei starben 613 französische Soldaten und für den Generalresidenten Hubert Lyautey schien danach das gesamte Protektorat zu scheitern.
Auch nach dem Ersten Weltkrieg erhoben sich immer wieder Berber. Unter der Führung von Abd al-Karim brach 1921 in der spanischen Zone der Aufstand der Rif-Kabylen aus. Die Unruhen erfassten auch das französische Protektorat. Erst 1926 gelang es Frankreich und Spanien gemeinsam, den Aufstand niederzuschlagen. Unter Sultan Mohammed V. (1927 bis 1961), der im Zweiten Weltkrieg auf Seiten Frankreichs stand, konnte die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss gewinnen. 1944 konstituierte sich die „Partei der Unabhängigkeit“ (Al-hizb al-istiqlal).
Anfang der 1950er Jahre kam es aufgrund der wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen zu Spannungen zwischen dem Sultan und der französischen Protektoratsverwaltung. Im August 1953 verbannten ihn die Franzosen nach Madagaskar und setzten seinen Onkel Muhammad Mulay ibn Arafah als Sultan ein. Daraufhin wurde das Land von einer Welle nationaler Empörung gegen die Fremdherrschaft erfasst. Frankreich und Spanien konnten ihre Protektoratsmacht nicht mehr aufrechterhalten. Muhammad V. konnte im Jahr 1955 zurückkehren.
Die volle Unabhängigkeit von Frankreich und Spanien erlangte das Land 1956. Lediglich die Enklaven Ceuta, Melilla und Sidi Ifni (bis 1969) blieben in spanischem Besitz. 1957 nahm Muhammad V. den Königstitel an. Nach seinem Tode 1961 folgte ihm sein Sohn als Hassan II. auf den Thron, der von Anfang an einen Kurs der Westorientierung mit starker Anlehnung an Frankreich und das Europa der späteren EG anstrebte. Die Spannungen mit dem unabhängigen Algerien führten 1963 zum algerisch-marokkanischen Grenzkrieg. In der gesamtarabischen Politik bemühte er sich um eine Mittlerrolle. 1971/72 und 1983 misslangen Versuche, eine Republik zu errichten.
1976 entließ Spanien seine Provinz Spanisch-Sahara (Westsahara) in die Unabhängigkeit. Mauretanien und Marokko teilten das Land kurzerhand unter sich auf. Kurz danach setzten die Kampfhandlungen zwischen der marokkanischen Armee und Einheiten der Frente Polisario (Volksbefreiungsbewegung der Westsahara) sowie Truppenteilen Algeriens ein, das die Polisario unterstützte. Diese rief die „Demokratische Arabische Republik Sahara“ aus und gründete eine Exilregierung. 1979 schloss Mauretanien einen Friedensvertrag mit der Polisario und räumte seinen Anteil an der Westsahara. Daraufhin okkupierte Marokko das ganze Territorium. Seither tobte in der Westsahara ein blutiger Krieg, der Marokko stark belastete. Im August 1988 stimmten das in der Westsahara-Frage international zunehmend isolierte Marokko wie auch die Polisario dem Westsahara-Plan der Vereinten Nationen zu, der einen Waffenstillstand vorsah sowie die Durchführung einer Volksabstimmung über das zukünftige Schicksal des okkupierten Territoriums. 1991 wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Das Referendum wurde seither aber immer wieder verschoben, weil beide Seiten keine Einigung über die genaue Zahl der Stimmberechtigten erzielen konnten. Unterdessen betreibt Marokko eine umfassende Besiedlungspolitik in der Westsahara. Ein Großteil der westsaharischen Bevölkerung lebt in Flüchtlingslagern in Algerien.
Mit Spanien existieren noch ungelöste Territorialstreitigkeiten über die Exklaven Ceuta und Melilla sowie über die küstennahen Inseln Isla Perejil, Chafarinas, Alhucemas und Vélez de la Gomera. Die Souveränität Spaniens über die genannten Gebiete wird von Marokko nicht anerkannt. Der Streit eskalierte 2002, als ein winziges Kontingent marokkanischer Truppen die Isla Perejil besetzte. Ein spanisches Armeekommando überwältigte die marokkanischen Soldaten unblutig und repatriierte sie. Der Streit wurde dabei diplomatisch durch die Vermittlung der USA und der EU entschärft. Ungeachtet dieses kleinen Zwischenfalles gestaltet sich die praktische Zusammenarbeit spanischer und marokkanischer Behörden vor Ort ausgezeichnet, was beide Seiten stets offiziell beteuerten. Die amerikanisch-marokkanischen Beziehungen sind dagegen so gut, dass die USA Marokko im Juni 2004 den Status eines hauptverbündeten Alliierten außerhalb der NATO zuerkannten.
König Mohammed VI. setzte im April 2004 eine unabhängige nationale Kommission für Gleichheit und Versöhnung ein, die sich mit der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen aus der Regierungszeit seines Vaters, König Hassans, befassen sollte. Ab Dezember 2004 fanden öffentliche Anhörungen ehemaliger Gefangener statt, die auch im Radio und Fernsehen übertragen wurden. Um die Idee der nationalen Versöhnung nicht zu gefährden, wurden die Beschuldigten nicht beim Namen genannt. Hauptziel ist nicht die strafrechtliche Verfolgung der Täter, sondern die moralische Wiedergutmachung für die Opfer und ihre Familien. Die Lage der Menschenrechte bot dennoch Anlass zur Kritik. Die Organisation Reporter ohne Grenzen erhob zur selben Zeit schwere Vorwürfe gegen die Regierung wegen der Inhaftierung und Folterung von Journalisten. Außerdem waren im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sowie von Casablanca (16. Mai 2003) und Madrid (2004) zwischen 2.000 und 7.000 Personen verhaftet worden. Deshalb startete im Mai 2005 ein neues Programm zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Slums, die als Hauptnährboden für islamistische Gewalt gelten.
Anfang 2011 kam es unter dem Eindruck des Arabischen Frühlings zu Protesten in mehreren Städten, bei denen eine demokratische Verfassung gefordert wurde. Die Staatsspitze reagierte darauf mit einem Verfassungsreferendum, das von der Oppositionsbewegung jedoch boykottiert wurde. Die mit 98 % Zustimmung angenommene Verfassungsänderung schreibt erstmals Tamazight als Amtssprache neben Arabisch fest und verschiebt einige Kompetenzen vom König auf den Premierminister und das Parlament. Auch ist der König nun verpflichtet, den Premierminister aus der Partei zu ernennen, die bei den Wahlen die meisten Parlamentssitze erhalten hat. Bisher hatte er diesbezüglich freie Hand.
Source: https://en.wikipedia.org/wiki/Morocco