Geschichte
Bis zum 19. Jahrhundert
In Venezuela lebten in vorkolumbianischer Zeit indianische Gruppen, nomadisierende Jäger und Sammler, sowie Fischer und Bauern. Christoph Kolumbus erreichte auf seiner dritten Reise 1498 die östliche Küste Venezuelas und ging an der Mündung des Flusses Orinoco an Land. Es war das erste Mal, dass er und seine Mannschaft das amerikanische Festland betraten. Am 24. August 1499 folgte eine Expedition von Alonso de Ojeda und Amerigo Vespucci, die dem Land wegen der häufigen Verwendung von Pfahlbauten angeblich den Namen Venezuela (Klein-Venedig) gaben. Diese Theorie stammt aus Vespuccis Reisebericht Cuatro Navegaciones („vier Schifffahrten“) und ist auch allgemein bekannt, jedoch historisch nicht belegt.
Die erste feste Siedlung der Spanier mit dem Namen Nueva Cádiz entstand 1522. 1528 bis 1545 versuchten die Welser mit Klein-Venedig erfolglos ihr Glück. Die heutige Hauptstadt Caracas wurde 1567 gegründet und 1577 setzte die spanische Krone zur Verwaltung einen Gouverneur ein.
Die Kolonie wurde im 16. und 17. Jahrhundert von den Spaniern eher vernachlässigt, da sie sich auf das Gold aus anderen Teilen Amerikas konzentrierten. Der Anbau von Kakao, Zucker, Tabak, Kaffee und Baumwolle führte dazu, dass eine große Anzahl an Sklaven nach Venezuela gebracht wurde, die, nachdem die einheimische Kultur zu einem Großteil zerstört war, die Kultur in Venezuela nachhaltig beeinflussten. Im 17. und 18. Jahrhundert begann die Christianisierung indianischer Stämme durch Missionare der römischen Kirche. Das Land war politisch zunächst Bestandteil des 1535 gebildeten Vizekönigreichs Neuspanien (Nueva España) mit seiner Hauptstadt Mexiko. 1777 wurde die Statthalterschaft von Venezuela gegründet.
Von 1797 bis 1821 gab es immer wieder Versuche, Neu-Granada, dessen Teilregion Venezuela war, von der spanischen Herrschaft loszulösen. 1821 gelang es Simón Bolívar, die Unabhängigkeitskriege in Venezuela zu einem siegreichen Ende zu führen. Venezuela wurde ein Teil der von Bolívar schon 1819 neu geschaffenen Republik Großkolumbien. Wenige Tage nach seinem Tod 1830 fiel Venezuela aus dieser Verbindung ab und erklärte sich für selbstständig.
1864 wurde Venezuela in eine Bundesrepublik umgewandelt. Es folgten noch eine Reihe Bürgerkriege und Revolutionen, die die politische Entwicklung des Landes beeinflussten.
Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren durch die Diktatur von Juan Vicente Gómez bestimmt. Auf dessen Tod folgte eine teilweise Liberalisierung des Landes, unter anderem durch Eleazar López Contreras. Diese Politik wurde von Isaías Medina Angarita fortgeführt. So wurde im Juni 1941 die sozialdemokratische Partei Acción Democrática (AD) und im Oktober 1945 die Kommunistische Partei legalisiert und im April eine Verfassungsreform durchgesetzt.
Aufgrund einzelner Mängel, die die Regierung mit zu verantworten hatte, kam es von Seiten der Opposition und Teilen des Militärs am 18. Oktober 1945 zum Putsch gegen die Regierung Medina Angaritas. Die durch den Putsch an die Macht gekommene Regierung setzte die angestrebten Reformen sofort durch. So wurde am 14. Dezember 1947 zum ersten Mal ein Präsident direkt vom Volk gewählt. Rómulo Gallegos sollte der erste gewählte Präsident werden. Allerdings blieb er nicht lange im Amt, denn kurz darauf kam es zu einem erneuten Putsch des Militärs.
1948–1982
Ab 1948 wurde Venezuela von einer Militärjunta geführt, von 1952 an unter Diktator Marcos Pérez Jiménez. Mit seinem Sturz 1958 wurde Venezuela eine Demokratie. Seitdem waren bis in die 1990er Jahre die beiden bestimmenden Parteien die sozialdemokratische Acción Democrática und die konservative COPEI, die auch die Präsidenten stellten. In der ersten Amtszeit von Carlos Andrés Pérez (1974–1979) stiegen die Einkünfte des Landes aus dem Erdölexport so rapide, dass das Land eines der wohlhabendsten Länder Südamerikas war, „[…] durch den Verkauf von Erdöl hat Venezuela von 1973 bis 1983 rund 240 Milliarden Dollar eingenommen, das heißt etwa das Zehnfache dessen, was der Marshallplan vorsah“ (Arturo Uslar Pietri), die damit einhergehende Verteilungspolitik führte zur, für lateinamerikanische Verhältnisse, außerordentlich hohen politischen Stabilität des Landes. Die Entwicklung des Bildungssystems manifestierte sich ebenfalls in einer verbesserten Verteilung im Land.
1983–1997
Mit dem schnellen Verfall des Ölpreises seit 1983 brachen diese Einkünfte jedoch weg, und da es keine anderen Wirtschaftszweige gab, die die sinkenden Erdöleinnahmen zu kompensieren vermochten, führte dies gemeinsam mit den immer höher werdenden Auslandsschulden (1993: 45 Milliarden Dollar) zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise.
Carlos Andrés Pérez war aufgrund massiver Korruption heftig kritisiert worden. Er wurde für die Amtsperiode 1989–1994 mit großen Erwartungen wiedergewählt. Michael Zeuske sieht vor allem innenpolitische Probleme, Korruption, Elitenmisswirtschaft, massive Fehlinvestitionen, eine mangelhafte Bildungspolitik und die Vernachlässigung ganzer Wirtschaftszweige, wie der Landwirtschaft, als wesentliche Ursachen für die nachfolgende größte Rezession in der Geschichte des Landes. Venezuela war faktisch bankrott und die für Kredite des Internationalen Währungsfonds eingeforderten Einsparmaßnahmen wurden einseitig auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen. Es kam am 27. Februar 1989 nach einer über Nacht erfolgten starken Erhöhung der Preise für den öffentlichen Nahverkehr zu landesweiten Aufständen und Hungerrevolten, der sogenannten Caracazo. Durch deren gewaltsame Niederschlagung kamen offiziell 246, nach inoffiziellen Schätzungen in kaum zwei Tagen weit über 1000–3000 Menschen ums Leben. Langfristige Folge war eine zunehmende Machtverschiebung hin zum Militär, wie der Zusammenbruch des sozialen Konsens und der bis dahin etablierten Parteien. Nach zwei Putschversuchen im Jahre 1992, einem am 4. Februar durch Hugo Chávez und einem weiteren am 27. November 1992, einem Volkswirtschaftsjahr mit Minuswachstum und der Absetzung des Präsidenten Pérez durch den Obersten Gerichtshof wegen Veruntreuung und Korruption wurde 1994 Rafael Caldera als neuer Präsident gewählt. Bis 1998 gelang ihm zwar die politische Stabilisierung, der Wirtschaftskrise aber wurde auch er nicht Herr (1994: Inflationsrate: 71 Prozent, schwere Währungskrise und Bankencrash).
Ab 1998: „Chavismus“
Am 6. Dezember 1998 wurde Hugo Chávez, der Gründer der Movimiento Quinta República und Anführer eines Putschversuches gegen die venezolanische Regierung unter Carlos Andrés Pérez (1992), mit 56 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Chávez war ein Verfechter der Bolivarischen Revolution, seine erklärten Ziele waren der Kampf gegen Korruption, die Schaffung und Stärkung möglichst direkter Demokratie sowie die nationale und ökonomische Unabhängigkeit. Nach der Ausarbeitung einer neuen „bolivarischen“ Verfassung und deren Annahme per Referendum wurde Chávez im Jahr 2000 mit einer gegenüber 1998 sogar nochmals deutlich gestiegenen Mehrheit (60 Prozent) bestätigt. Venezuelas Staatsbezeichnung lautet seitdem „Bolivarische Republik Venezuela“ und wird oft auch als „Fünfte Republik“ (quinta república) bezeichnet.
Am 11. April 2002 scheiterte ein Putsch gegen die Regierung Chávez. Die zuvor in einer niedrigeren Instanz verurteilten Putschisten, darunter drei hohe Militärs, wurden vom Obersten Gerichtshof TSJ jedoch freigesprochen.
Dem Putsch voran gingen Streiks beziehungsweise Aussperrungen des Unternehmerverbandes. Beim staatlichen Erdölkonzern Petróleos de Venezuela (PDVSA) kam es zu Sabotageaktionen und dem unerlaubten Fernbleiben von der Arbeit durch höhere Angestellte und Management. Da der vermeintliche Streik nicht einmal innerhalb der Gewerkschaft abgestimmt war, erkannte ihn die Internationale Arbeitsorganisation nicht als Streik an. Hinzu kam auch ein sogenannter Steuerstreik des wohlhabenden Teils der Bevölkerung.
2004 sammelte die Opposition Unterschriften für ein Referendum gegen Chávez. Nachdem das zuständige Wahlamt festgestellt hatte, dass die notwendige Anzahl von Unterschriften (etwa 2,5 Millionen) knapp erreicht war, erklärte Chávez, er würde sich diesem Referendum stellen. Aufgrund des bemerkenswert hohen Andrangs am Abstimmungstag wurde Chávez bei hoher Wahlbeteiligung (73 Prozent) mit 59,25 Prozent (knapp fünf Millionen Wähler) im Amt bestätigt. Die Opposition warf Chávez Wahlbetrug vor, aber eine von ihr initiierte und von der Organisation Amerikanischer Staaten und dem Carter Center durchgeführte Nachzählung der Stimmen bestätigte das Wahlergebnis.
Am 3. Dezember 2006 wurde Chávez bei den Präsidentschaftswahlen mit 62,89 Prozent der Stimmen aufs Neue im Amt bestätigt. Es gab insgesamt 18 Kandidaten für das Amt. Der sozialdemokratische Gegenkandidat Rosales, Führer der Opposition gegen Chávez, erreichte 36,85 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 75 Prozent die höchste seit 1988. Die von der Europäischen Union entsandten Beobachter gingen von einer reibungslosen Wahl aus, im offiziellen Bericht wurde allerdings unter anderem die starke institutionelle Propaganda hauptsächlich für Präsident und Kandidat Chávez sowie die unausgeglichene Berichterstattung sowohl in den öffentlichen als auch in den privaten Medien kritisiert. Außerdem sei auf Staatsangestellte Druck ausgeübt worden, für Chávez zu stimmen beziehungsweise an Wahlkampagnen für seine Wiederwahl teilzunehmen. Dies sei ein Verstoß gegen die internationalen Prinzipien der freien Stimmabgabe.
Im September 2010 fanden die Wahlen für die Nationalversammlung statt. Die PSUV und die PCV erhielten 98 Sitze mit einem Stimmenanteil von 48,13 %, der Tisch der demokratischen Einheit (Mesa de la Unidad) erzielte 65 Sitze bei einem Stimmenanteil von 47,22 % und Patria Para Todos bekam 2 Sitze für 3,14 % der Stimmen. Später erklärte Patria Para Todos, dass sie ein Teil der MUD sein würden.
Die abtretende Nationalversammlung verabschiedete jedoch ein Ermächtigungsgesetz für Chávez, das dem Präsidenten 18 Monate lang erlaubte, Sondergesetze ohne parlamentarische Zustimmung zu verabschieden.
Am 7. Oktober 2012 wurde Hugo Chávez zum dritten Mal als Präsident wiedergewählt und blieb dies bis zu seinem Tod am 5. März 2013. Danach übernahm Vizepräsident Nicolás Maduro als stellvertretendes Staatsoberhaupt die Amtsgeschäfte des Präsidenten, obwohl eine Entscheidung des Verfassungsgerichts darüber, ob die Aufgabe nicht stattdessen Diosdado Cabello als stellvertretendem Staatsoberhaupt zusteht, noch ausstand.
Nach dem Tod von Hugo Chávez am 5. März 2013 kam es am 14. April 2013 zu Neuwahlen, die Nicolás Maduro mit 50,78 % gewann.
Regierung Maduro ab 2013
Im Februar 2014 wurde Venezuela von einer Protestwelle gegen Staatschef Nicolás Maduro erschüttert. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens 42 Menschen während ihrer gewaltsamen Niederschlagung sowohl auf Seiten der Regierungsgegner als auch auf Seiten ihrer Anhänger ums Leben. Mindestens 785 Menschen wurden verletzt. Zudem gab es rund 2.200 Verhaftete, darunter 58 Ausländer, unter dem Vorwurf, Unruhen im Land zu schüren. Grund für die Proteste seien eine hohe Inflation, eine verbreitete Korruption sowie die hohe Kriminalität im Land. Der Präsident bezeichnete die Proteste als versuchten Staatsstreich.
Nach einer durch Panama beantragten Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten wegen der Unruhen, brach Venezuela am 5. März 2014 die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Panama ab - Präsident Maduro warf dem Land Konspiration mit den USA gegen Venezuela vor.
Im Jahr 2014 betrug die Inflation 64 Prozent. Als Grund nannte Maduro eine „Verschwörung der USA“ durch tief gehaltene Ölpreise. Der offizielle Kurs des Bolivar gegenüber dem Dollar betrug seit Jahren 6,3 Bolivar, auf dem Schwarzmarkt wurden Anfang 2015 183 Bolivar bezahlt. Für 21.000 Produkte und Dienstleistungen gab es bis dahin staatlich festgesetzte Preise, Güter der Grundversorgung fehlten. Da es vor allem auch an Grundnahrungsmitteln fehlte, litten die Menschen teilweise bereits Hunger. Vor großen Supermärkten wurden Soldaten der Nationalgarde stationiert. Fitch stufte die Staatsanleihen auf dem tiefsten Niveau CCC ein. Im Februar 2015 wurde, obschon sie sich nicht verändert hatte, nicht mehr die Kriminalität als größte Sorge eingestuft, sondern die Versorgungslage. Die Regierung übte sich in Blick auf die Parlamentswahlen in der Rhetorik von Komplott und Putschversuch der „rechtsextremen Opposition“. Unter solchen Vorbehalten wurde am 19. Februar 2015 einer der prominentesten Oppositionspolitiker, der Bürgermeister der Hauptstadt Caracas, Antonio Ledezma verhaftet. Die Bischofskonferenz nannte mittlerweile das totalitäre System als das zentrale Problem. Verlöre der Präsident den Rückhalt der Armee, der Nationalgarde, der Colectivos (paramilitärische Gruppierungen) oder Teilen davon, wäre ein kritischer Punkt für einen Militärputsch erreicht worden.
Bei den Parlamentswahlen 2015 erreichte ein Oppositionsbündnis eine Zweidrittelmehrheit. Der Oberste Gerichtshof Venezuelas erklärte jedoch die Wahl von vier Abgeordneten (darunter drei der Opposition) für ungültig, womit die Opposition die Zweidrittelmehrheit wieder verlor.
Im Februar 2016 erhöhte die Regierung die „absurd“ tiefen Benzinpreise um bis zu 6.000 Prozent. Damit kostete eine Tankfüllung nun den Gegenwert einer Dose Bier (eine ähnliche Subventionskürzung hatte noch im Jahr 1989 zu Aufständen mit mehreren Hundert Toten geführt). Mineralwasser hingegen wurde zur Mangelware, da der staatlich regulierte Höchstpreis nicht einmal den Preis der Flaschenproduktion gedeckt hätte. Die Getreidelieferungen aus dem Ausland nahmen ab, dies wegen der Schulden des Staates bei den Lieferanten von 15 Milliarden Dollar. Nach Angaben des Apothekerverbandes waren 90 Prozent aller Medikamente Mangelware. Lebensmittel und Hygieneartikel wurden knapp. Aufgrund des Warenmangels wurde für 2016 bei einer um über 18 Prozent gesunkenen Wirtschaftsleistung eine extrem hohe Inflation von gegen 800 Prozent verzeichnet, nachdem sie für 2015 offiziell bei 141 bis 180 Prozent gelegen hatte, für Nahrungsmittel eher um 300 Prozent. Der Schwarzmarktpreis für einen US-Dollar stieg bis April 2016 auf 1.150 Bolivares. Im April 2016 führte die Regierung eine vorübergehende 4-Tage-Woche ein, um den Stromverbrauch zu senken. Die größten Mobilfunk-Anbieter des Landes kündigten an, wegen unbezahlter Rechnungen künftig keine internationalen Gespräche mehr aus dem Land anzubieten. Zahlreiche Fluglinien stellten ihre Routen wegen nicht zugänglicher Ticket-Einnahmen ein, Post wurde nur unregelmäßig zugestellt. Bereichen der Gesundheitsversorgung drohte aufgrund mangelnder Versorgung der Kollaps.
Während dieser Versorgungskrise wurde ein großangelegtes Militärmanöver durchgeführt mit 520.000 Soldaten, Reservisten und Freiwilligen. Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat von 2013, Henrique Capriles, meinte dazu: „Den Krieg, den man in Venezuela erklären muss, ist der gegen den Hunger.“
Zwischenzeitlich hatte Venezuela im Juli 2016 nach 11 Monaten der Abschottung die Grenze zu Kolumbien für 12 Stunden geöffnet, damit die Menschen dort einkaufen konnten – zuvor war die Grenze schon von hunderten Frauen für Lebensmittelkäufe durchbrochen worden. Ein Artikel in der Weltwoche stellte fest, es sei keine Frage, ob es eine Hungerrevolte geben würde, die Frage wäre vielmehr wann. Schon länger waren allen Erwachsenen aufgrund der Endziffern ihrer Personalausweise Tage zugeordnet worden, an welchen sie regulierte Waren einkaufen durften, zwei Endziffern teilen sich dabei einen Tag. Für Juli 2016 beschrieb Jan Christoph Wiechmann im Tagesanzeiger-Magazin eine frühmorgendliche 500 Meter lange Schlange vor einem erst vier Stunden später öffnenden Supermarkt. An der offenen Brasilianischen Grenze herrschte reger Einkaufsverkehr.
Die Regierung stellte im Juli 2016 die wichtigsten 5 Häfen unter militärische Kontrolle; am 11. Juli hatte Maduro angekündigt, dass er und sein Verteidigungsminister das „vollständige Kommando über die Versorgung des Landes“ übernähmen. Dass die Minister in vielen Fragen darauf hin General Vladimir Padrino López Bericht erstatten mussten, wurde auch als stiller Militärputsch kommentiert.
Im Oktober befand das regimetreue Oberste Gericht, dass die Regierung das Staatsbudget als Dekret und unter Umgehung des Parlaments beschließen könne. Stattdessen hätte eine Genehmigung ebendiesen Gerichts zu erfolgen. Andererseits schien unter dem Druck, unter dem die Regierung stand, die staatliche Preiskontrolle de facto abgeschafft; die Versorgungslage verbesserte sich etwas dank des Verkaufs der Waren in den Läden zu eigentlich illegalen Schwarzmarktpreisen.
Abberufungs-Referendum
Ab 24. April 2016 sammelte die Opposition Unterschriften für ein Abberufungsreferendum gegen die Regierung Maduro. Zur Eröffnung des dazu nötigen Prozesses wurden 200.000 Unterschriften innerhalb 30 Tagen benötigt. Innerhalb zweier Tage unterschrieben eineinhalb Million Menschen. Als nächster Schritt mussten von den anerkannten Unterschriften deren 200.000 durch Fingerabdrücke verifiziert werden. Der Vizepräsident Venezuelas, Aristobulo Isturiz, hatte jedoch schon im Mai 2016 bemerkt, ein solches Referendum werde es „nie geben“. Laut Umfragen (Herbst 2016) hätte Maduro an der Urne keine Chance.
400.000 Unterschriften wurden bis Anfang August geprüft und für gültig befunden. Als nächster Schritt hätten für zwei Tage die Wahllokale geöffnet werden und 20 Prozent der Wähler (4 Millionen Venezolaner) sich für ein Abwahlreferendum aussprechen müssen – laut den vorgegebenen Fristen bis in der ersten Septemberhälfte 2016. Die Wahlkommission zögerte stattdessen den Termin unter Verletzung der Verfassung bis Ende Oktober hinaus. Damit wurde das Ziel des Regimes erfüllt, Neuwahlen zu vermeiden, denn mit der Durchführung eines Referendums nach Anfang 2017 wurden keine Neuwahlen mehr fällig, sondern es würde der Vizepräsident eingesetzt. Eine friedliche Demonstration mit bis zu einer Million Protestierender gegen diese Verzögerung am 1. September 2016 wurde von der Regierung mit den Worten kommentiert, es „sei nicht gelungen, das Volk und seine Regierung einzuschüchtern“. Journalisten waren ausgewiesen worden und Maduro sprach von festgenommenen „bewaffneten Putschisten“. Personen, welche das Referendum unterschrieben hatten und in höheren Chargen in fünf Ministerien arbeiteten, wurde per Dekret gekündigt.
Der nationale Wahlrat von Venezuela setzte das Datum für das Referendum auf Februar 2017 fest und stellte die (verfassungswidrige) Hürde auf, dass das Quorum von 20 Prozent in allen Staaten erreicht werden müsse. Das Verfahren wurde jedoch in der Woche vor der zweiten Phase überraschend von der Wahlbehörde gestoppt: Vom 26. bis 28. Oktober hätte die zweite Unterschriftensammlung statt finden sollen. Bei Massenprotesten am folgenden 26. Oktober wurden 120 Personen verletzt. Zu den Forderungen der Opposition während vom Vatikan vermittelten Gesprächen hatten auch Freilassungen von politischen Gefangenen gehört. Die Freilassung von 5 Gefangenen auf Weisung des Präsidenten bestätigten zwar auch das Nichtfunktionieren der Gewaltentrennung, Regierung und Opposition erkannten jedoch die Vermittlung durch den Vatikan an und es wurden Vorschläge zur Deeskalation gemacht: Allenfalls könnten auch vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2017 in Betracht gezogen werden. Der Dialog brachte außer einem Zeitgewinn für Maduro wenig und die Opposition unterbrach ihn Ende des Jahres.
Am 9. Januar 2017 erklärte das Parlament den Präsidenten in der Hoffnung auf Neuwahlen für abgesetzt; Begründung für die Absetzung war Artikel 233 der Verfassung, wonach das Parlament feststellen könne, dass der Präsident seine Pflichten nicht erfülle respektive sein Amt nicht ausführe. Auch aufgrund des Vorhandenseins des von Maduro handverlesenen Obersten Gerichtshofs dürfte das Votum kaum Auswirkungen haben.
„Staatsstreich von oben“ Ende März 2017
Am 29. März 2017 hatte das Oberste Gericht allen Parlamentariern die Immunität entzogen sowie dem Parlament alle Kompetenzen entzogen und sich selber übertragen. Zwei Tage später hatte die Generalstaatsanwältin dieses Vorgehen als Verfassungsbruch bezeichnet. Am 1. April wurde die Entscheidung rückgängig gemacht. Unklar war, auf wessen Veranlassung hin das Gericht so gehandelt hatte, der Druck der internationalen Diplomatie zur Rückgängigmachung war dementsprechend groß. Tatsächlich hatte das Oberste Gericht die Funktionen der Legislative ausgeübt, womit die Gewaltentrennung aufgehoben und die Situation de facto einer Diktatur gleichzusetzen war. Präsident Maduro wollte ohne Konsequenzen zur Normalität zurückkehren , die Opposition verlangte die Absetzung der Richter. OAS-Generalsekretär Luis Almagro verurteilte Maduros autoritären Regierungsstil, Venezuelas Mitgliedschaft im Mercosur war bereits im Dezember suspendiert worden. Die Vollmachten, die das Gericht gleichzeitig an Maduro übertragen hatte, blieben jedoch bestehen, so dass Maduro eigenständig Verträge des staatlichen Ölkonzerns PDVSA mit anderen Firmen aushandeln kann.
Nach der Entmachtung des Parlaments im April 2017, kam es zu verschiedenen Demonstrationen gegen Maduro mit mehreren Zehntausend Teilnehmern und mehreren tödlichen Zwischenfällen bei Konfrontationen mit Sicherheitskräften.
Schon Mitte Mai hatte die Opposition das für die Gewalt gegen Demonstranten mitverantwortliche Militär zum Dialog aufgerufen. Der regimetreue Oberste Gerichtshof leitete am 20. Juni ein Verfahren zur Absetzung der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega ein, jener Frau, die die Machtübernahme eben jenes Gerichts Ende März als verfassungswidrig bezeichnet hatte.
Am 1. Mai 2017 erklärte Maduro, eine 540-köpfige Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die eine neue Verfassung ausarbeiten solle. Einen Monat später erklärte er dazu, dass das Volk (im Gegensatz zur ursprünglichen Ankündigung) erst über die ausgearbeitete Verfassung werde abstimmen können, nicht aber über den Prozess. Die Verfassung schreibt ein vorgängiges landesweites Referendum für die Einberufung einer solchen Versammlung vor, womit das Vorgehen Maduros eindeutig verfassungswidrig ist. Parlament oder Opposition sollten durch ein ausgeklügeltes Verfahren bei der Auswahl der Mitglieder nicht beteiligt werden. Mit über 364 "territorialen Abgeordneten", erhielten Vertreter kleiner, stark im Chavismus verankerter ländlicher Gemeinden, überproportionalen Einfluss. 168 Sitze waren gleich direkt für regierungsnahe Sektoren vorgesehen und acht für Vertreter von Ureinwohnern. Für die seit Dezember 2016 ausstehenden Regionalwahlen gab es kein Datum und die von Maduro angekündigte Verfassungsreform würde Wahlen zusätzlich hinausschieben. Auch dagegen wurde demonstriert und bis zum 6. Mai 2017 waren bei allen Protesten insgesamt 37 Personen zu Tode gekommen, bis 23. Juni hatte sich diese Zahl auf 76 erhöht und bis Ende Juli auf über 100.
Maduro kündigte an, dass die Verfassungsänderung durchgesetzt würde und «Wenn wir es nicht mit den Stimmen schaffen, dann mit Waffen.» Anfang Juli wurde das Parlament von Colectivos blockiert, welche rund 350 Personen am Verlassen des Gebäudes hinderten. Im Vorfeld der Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung war ein Generalstreik organisiert sowie durch die Opposition am 16. Juli ein symbolisches Anti-Maduro-Referendum abgehalten worden, bei welchem sich sieben Millionen Venezolaner, also ein Drittel aller venezolanischen Wahlberechtigten, gegen Maduro aussprachen. Die drei mit ja oder nein zu beantwortenden Fragen lauteten: 1. Wollen Sie eine Verfassungsgebende Versammlung? 2. Soll die Armee die gültige Verfassung verteidigen? 3. Unterstützen Sie Wahlen vor 2019? und war damit auch ein Aufruf zur Verfassungstreue an die Armee.
Ab der Bildung der „Verfassunggebenden Versammlung“ Juli 2017
Maduros Regierung gab an, die verfassungswidrige, weil ohne vorheriges Referendum, beschlossene Wahl der verfassunggebenden Versammlung Asamblea Nacional Constituyente am 30. Juli 2017 „gewonnen“ zu haben, obschon das Resultat aufgrund des Wahlmodus schon im Vornherein feststand. Zwei Drittel der Sitze gingen an Gemeindevertreter, unabhängig von der Größe der Gemeinde, womit kleine Dörfer die Städte bei weitem überstimmen. Das restliche Drittel ging an acht von den Chavisten kontrollierte sektorielle Organisationen. Die Opposition bezeichnete das Ergebnis darüber hinaus als manipuliert, da sich nach offiziellen Angaben 41,5 % bzw. mehr als acht Millionen Venezolaner an der Abstimmung beteiligt hätten, während die Opposition 2,5 Millionen nennt. Smartmatic, ein in Venezuela gegründetes Unternehmen, welches das venezolanische elektronische Wahlsystem seit 2004 entwickelt hatte, erklärte in London, "ohne jeden Zweifel" zu wissen "dass die Beteiligung bei der jüngsten Wahl für eine verfassungsgebende Versammlung manipuliert worden ist." Die Nachrichtenagentur Reuters gibt an, Zugang zu internen Dokumenten der Wahlkommission zu haben, die zeigen, dass bis 17:30 Ortzeit nur 3,7 Millionen Stimmen abgegeben wurden.
International wird die Abstimmung weitgehend als nicht demokratisch verlaufen angesehen und das Gremium nicht anerkannt, sogar der Vatikan verurteilte diese loyalistische Versammlung im katholischen Land, weil sie ein „Klima der Spannung und des Konflikts“ schüre. Die Versammlung, in der NZZ Maduros "Waffe gegen die Opposition" genannt, fällte einen ersten Beschluss, als sie einstimmig die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz entließ, die Ermittlungen wegen Wahlbetrugs hatte einleiten wollen. Das Parlament war zu diesem Zeitpunkt weiterhin aktiv, konnte aber keine Gesetze beraten, welche die Wirtschaft, Grundsätze oder die Sicherheit betrafen, da dies mit der Arbeit der „Verfassunggebenden Versammlung“ kollidieren würde. Nachdem die UNO die exzessive Gewalt des Regimes aufs Schärfste verurteilt hatte, ordnete die Verfassungsgebende Versammlung an, dass die Anklagen von Demonstranten vor Militär- anstatt Zivilgerichten zu stoppen seien.
Die neue Versammlung übertrug sich selbst die Kompetenzen aller Staatsgewalten inklusive der Legislative. Zwar wurde das ordentliche Parlament nicht explizit für aufgelöst erklärt, doch besaß es nach einem Beschluss der regimetreuen Versammlung vom Freitag, 18. August 2017 keinerlei Befugnisse mehr. Die Anzahl der Toten bei Protesten gegen die Regierung war Ende August bis 125 gestiegen. Die Fernsehsender Caracol und RCN wurden nicht mehr ausgestrahlt und zwei Radiostationen die Lizenz entzogen.
Einer erneuten Militärübung wurde zugeschrieben, als Ziel die Einschüchterung nach innen und die Einschwörung der Loyalität zur Regierung zu verfolgen. Diese Übungen waren in Venezuela schon früher und seit Chavez’ Zeiten mit der "Bedrohung durch die USA" begründet worden. Präsident Maduro ließ auch verlauten, wer Zweifel hege, solle die Armee verlassen.
Die USA nahmen zwar auch im Sommer 2017 immer noch fast die Hälfte der venezolanischen Ölausfuhren ab, erschwerten aber die Geldbeschaffung des ständig vor dem Staatsbankrott stehenden Regimes. Verzögerungen und Korruption hielten den größten Gläubiger China von weiteren Engagements ab; es streckte offenbar seine Fühler auch in Richtung Opposition aus. Russland verblieb als größter aktiver Investor und im Gegensatz zum nur am Geschäft interessieren China will es seinen Verbündeten nicht verlieren. Ein Beitrag in einer angesehenen russischen Militärzeitschrift warb für die "größtmögliche Unterstützung" der venezolanischen Führung, auch wenn die Möglichkeiten beschränkt seien.
Im September 2017 wurden unter dem "Kaninchenplan" den Kommunen Kaninchen verteilt, um der Bevölkerung einen mittlerweile zu einem Luxus gewordenen Fleischkonsum zu ermöglichen. Ein Drittel der Knaben waren laut nichtstaatlichen Erhebungen zu diesem Zeitpunkt fehlernährt. Wie sich herausstellte, wurden die Tiere von den Empfängern stattdessen als Kuscheltiere in der Familie gehalten. Präsident Maduro schlug daraufhin eine Kampagne vor, die den Venezolanern beibringen sollte, ein Kaninchen nicht als Kuscheltier, sondern als zweieinhalb Kilo Fleisch zu sehen. Im November 2017 wurden Lebensmittel wegen der täglich steigenden Preise in kleinen Portionen von unter 200 Gramm verkauft. Vier Esslöffel Zucker kosteten 4000 Bolivares, was zwei Drittel des täglichen Mindestlohns entsprach.
Auf den 27. September 2017 waren Gespräche zwischen Opposition und Regierung in Santo Domingo unter Beisein von Vertretern aus Bolivien, Chile, Mexico und Nicaragua angekündigt. Mit initiiert waren die voraus gegangenen geheimen Erkundungsgespräche am 14. September von José Luis Rodríguez Zapatero. Die Opposition nannte dafür die Bedingung, dass das Parlament wieder seine Kompetenzen erhält. Alles Andere sei die Verhinderung eines echten Dialogs und reine Taktiererei. Auch nachdem die Regierungsdelegation in Santo Domingo eingetroffen war, ließ die Opposition verlauten, an einer reinen Show nicht teilnehmen zu wollen. Auch noch am 2. Oktober bestritt der Verhandlungsführer der Opposition, Luis Florido, Behauptungen des Präsidenten Maduro, welcher die "Vorbereitungsphase für fast beendet" verkündet hatte. Bis im Januar fanden teils Gespräche statt, zum Teil wurden sie von der Opposition boykottiert.
Vor der Gouverneurswahlen im Oktober 2017 war klar, dass die verhafteten 16 Bürgermeister als aussichtsreiche Kandidaten für der Opposition fehlen würden. Henrique Capriles war auch nicht zur Wahl zugelassen. In sieben weiteren Gliedstaaten konnte die MUD aus juristischen Gründen keine Kandidaten stellen. Darüber hinaus stilisierte das Regime die Wahlen zu einem Plebiszit zur Verfassungsgebenden Versammlung hoch, sodass die Opposition uneins war, ob der Wahlgang nicht boykottiert werden sollte. Es war vorauszusehen dass es auch viele Stimmenthaltungen geben würde, welche den Sozialisten einen Erfolg ermöglichen würden. Es gab keine Kontrollen gegen Mehrfachabstimmungen, Wahllokale wurden kurzfristig verschoben in Hochburgen des Regimes, wo bewaffnete Milizen die Wähler einschüchterten. Dementsprechend gewann die Opposition nur 5 Bundesstaaten. Einer der Gewinner der Opposition weigerte sich, seinen Eid vor der "Verfassungsgebenden Versammlung" abzulegen und wurde sogleich entmachtet. Dass die anderen vier es taten, führte zu einer weiteren Krise innerhalb der Opposition. Um von dieser Krise zu profitieren, beschloss die "Verfassungsgebende Versammlung", die Bürgermeisterwahlen vorzuziehen.
Im November 2017 stand das Land vor dem Staatsbankrott und bemühte sich um eine Umschuldung. Die dazu angesetzten Gespräche dauerten knapp 30 Minuten und waren derart konfus, dass Spekulationen aufkamen, die Regierung wolle den Wert der Anleihen in den Keller treiben, um sie dann mit Hilfe ausländischer Kreditgeber billig zurück zu kaufen. Privatanleger hatten in spekulativer Art die billigen Anleihen gekauft, an der Stuttgarter Börse waren die Venezuela Bonds zu jenem Wochenbeginn die meistgehandelten Papiere. Maduro nannte Banker, die "überwiesene Gelder verstecken" würden "Gangster" während Delcy Rodriguez behauptete, die USA planten einen militärischen Schlag gegen Venezuela.
Die Chavisten wollten die Parteien, welche die vorgezogenen Bürgermeister-/Lokalwahlen im Dezember 2017 boykottierten, von der Präsidentschaftswahl 2018 ausschließen. Die "Verfassungsgebende Versammlung" stellte dazu eine "Richtlinie" auf.
Mehrere Menschen wurden Mitte Januar 2018 getötet, als sich die Armee und Aufständische in El Junquito im Nordwesten von Caracas ein Feuergefecht lieferten. Der Unternehmer Lorenzo Mendoza wurde währenddessen bedrängt, bei der Präsidentschaftswahl von 2018 zu kandidieren.
Im Februar 2018 ordnete Präsident Maduro ein weiteres Grossmanöver an, zu welchem eine Million Militär-, Milizen- und Behördenmitglieder wegen einer angeblichen Bedrohung durch Kolumbien gerufen wurden.
Die Präsidentschaftswahl wurde von der "Verfassungsgebenden Versammlung" von Spätherbst auf Ende April, später auf den 20. Mai vorverschoben. Ziel war der Ausschluss der Opposition, welche sich nach dem Boykott der Kommunalwahlen neu registrieren lassen musste. Das Oberste Gericht erlaubte es gleichzeitig, das Datum für eine solche Einschreibung von Ende Januar auf einen Zeitpunkt nach der Wahl zu verschieben.
Source: https://de.wikipedia.org/wiki/Venezuela